
Arbeitsplatzcoaching
Neue Wege für effektives Punkt Kaizen
29.07.2019 von Dr. Martin Feldmann
Eigentlich ist es ganz einfach: Man startet bei Punkt-Kaizen Initiativen im Office von innen nach außen, beginnt mit einer 5S-Aktion im Büromaterialschrank, betrachtet dann einfache Prozesse, die viele Mitarbeiter berühren und kommt sukzessiv und mit den kleinen Schritten gut voran. Auf diese Art finden sich mit der Zeit eine Menge von Ansatzpunkten, die allen Mitarbeitern nutzen und helfen, ihre Arbeitsumfelder von täglichen kleinen Hindernissen und Ärgerlichkeiten zu befreien. Die Lean Initiative gewinnt damit von Tag zu Tag an Dynamik …. aber ist es durchgängig und immer so?
Direkt erreicht man etwa 10-15 % der Mitarbeiter. Viele haben förmlich darauf gewartet und bringen sich mit hohem Engagement und Begeisterung von Anfang an ein. Sie realisieren, dass es um die eigenen Abläufe und Prozesse geht, die man hier mitgestalten kann. Im Laufe der Zeit gelingt es über Mitzieheffekte und dank sinnvoller Themen durchaus 40-50 % der Mitarbeiter aktiv in die Verbesserungskultur einzubinden…. und wie erreicht man den Rest der Belegschaft?
Was hindert die Kollegen/Kolleginnen, ebenfalls Themen zu benennen und sich aktiv in die Veränderung einzubringen? Was muss getan werden, um diesen Personen effektiv zu helfen?
Dazu haben wir vom IMPULS Trainingscenter vor einigen Jahren das Arbeitsplatzcoaching (APC) entwickelt und es mittlerweile bei mehreren Kunden erfolgreich etabliert. Es ist ein spezifisches Coaching, das an den einzelnen Arbeitsplätzen und unmittelbar bei den Mitarbeitern ansetzt. Über vertrauliche, strukturierte Interviews, mit einer speziellen Fragetechnik, mit Hilfe des 7- Hütte-Modells und Prozessbeobachtungen findet eine gemeinsame Verschwendungsanalyse statt. Muda, Muri und Mura werden in der gegenwärtigen Arbeitswelt des Mitarbeiters herausgearbeitet und verdeutlicht.
Diese Hilfestellung setzt somit bei den typischen Hürden der Mitarbeiter an:
A) Sie erkennen in den seit Jahren praktizierten Abläufen – insbesondere in ihren individuellen Aufgaben – die Potenziale nicht mehr. Betriebsblindheit verhindert, dass Probleme wahrgenommen werden: „Das habe ich doch schon immer so gemacht.“
B) Sie trauen sich nicht, Ärgernisse anzusprechen, da dies in der Vergangenheit keinen Erfolg zeigte. Negative Erfahrung verdrängt den Mut, den die Veränderung braucht. “Das gebrannte Kind scheut das Feuer.“
C) Sie resignieren vor dem Berg zu bearbeitender Details und finden die kleinen Schritte nicht, die zur sukzessiven Bewältigung nötig wären. „Ich sehe den Wald vor Bäumen nicht und finde keinen Anfang.“
D) Sie fühlen sich in ihrer Situation alleingelassen und kennen keinen Weg, um sich mit Kollegen zielgerichtet auszutauschen. „Meine Themen sind so speziell, da kann mir keiner helfen.“
E) Das fehlende Training, ein eigenes Problem geeignet zu beschreiben, entzieht es der gemeinsamen Bearbeitung. „Was ich noch nicht mal klar beschreiben kann, das kann ich auch nicht hinterfragen.“
Das Arbeitsplatzcoaching beseitigt diese Hürden, indem eine Gruppe von z.B. drei Personen einer Abteilung zeitgleich und als Partner in ihr Coaching starten. Sie durchlaufen Einzelaktivitäten (z.B. Interviews und Prozessbeobachtungen) und tauschen sich bei gemeinsamen Aktivitäten (z.B. zu den Verschwendungsanalysen) aus. Indem behutsam ausgewählte Ergebnisse aus den Einzelgesprächen in der Gruppe reflektiert werden, entsteht für alle Beteiligte Transparenz und Verständnis zu den Themen und Problemen an den Arbeitsplätzen der Kollegen. Dabei gilt: „Was in Las Vegas passiert, das bleibt auch in Vegas.“ In allen Gesprächen wird ein durch Wertschätzung geprägter Umgang eingeübt. Mit diesem wächst eine Mikro-Kultur des gegenseitigen Vertrauens. Durch das Vorleben von Achtsamkeit erfahren die Kollegen/innen Wertschätzung – sowohl durch den Coach als auch durch ihre Partner im Coaching.
Da der Coach individuelle Hausaufgaben bis zum nächsten Vor- Ort-Termin vereinbart, sind die kleinen Schritte und die Zwischenziele in Richtung des Zielzustandes für die Mitarbeiter leicht zu bewältigen. Die drei Kollegen/innen bilden dabei quasi eine Schicksalsgemeinschaft: Sie tauschen sich mit der Zeit immer intensiver und offener über die erkannten strukturellen Schwächen an ihren Arbeitsplätzen aus.
Aus dem Beschreiben heraus ergeben sich dann weiterführende Fragen. Es werden Worte gefunden, mit denen die Prozesse und ihre Probleme beschreibbar werden. Damit setzt ein Perspektivwechsel ein. Die Coaching Partner erkennen, dass neben ihren diversen Einzelthemen auch viele übertragbare Themen in den Verbesserungsprozess einzusteuern sind.
Was ist das Ergebnis?
Über die individuelle Ansprache und das gemeinsame Arbeiten in der kleinen Gruppe erleben die Mitarbeiter/innen unmittelbar die Kraft, die in den kleinen Schritten steckt und werden für weitergehende Themen aktiviert. Sehr oft können größere Veränderungen auf den Themen aufsetzen, die sich im gemeinsamen Gespräch ergeben haben. Hier hilft der Coach, dass auch diese Themen nachhaltig und zum Beispiel abteilungsweit über ein KVP-Team angegangen werden. Insofern ist das APC ein Konzept für den Übergang vom Punkt- zum Fluss-Kaizen und zugleich ein Weg für den Einzelkämpfer zum Teammitglied.
Das Geheimnis des Erfolgs steckt in der richtigen Mischung aus Einzelbetreuung und dem Lernen und Erleben in der Gruppe. Beide verbinden sich zu einem profunden Mittel, mit dem die ständige Verbesserung leichter zur Kultur werden kann.